Unsere Vision: Koalitionsverhandlungen neutral moderiert

Im Vordergund ist ein eingeschaltete Rede-Mikrofon zu erkennen, im Hintergrund ein Plenum.
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Nach einer Phase grundsätzlicher Sondierungen haben SPD, Grüne und FDP in der vergangenen Woche formale Koalitionsverhandlungen aufgenommen. Beobachter:innen gehen von einer langen Verhandlungsphase der drei Parteien aus und spekulieren gar, ob diese bis Weihnachten abgeschlossen sein werden.

Die Verhandlungen vor einer Regierungsbildung haben in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Dabei wurden die Gespräche beispielsweise durch die Schaffung von Arbeits- und Themengruppen und infolge der wachsenden Zahl der beteiligten Akteur:innen immer stärker formalisiert. Überdies münden die Verhandlungen inzwischen in schriftlichen Koalitionsverträgen. Wurden diese in den 1960er Jahren noch scharf kritisiert, da damit eine Aushöhlung der Richtlinienkompetenz des:der Bundeskanzler:in einherginge, sind sie heute weder auf Bundes- noch auf Landesebene aus dem politischen Geschäft wegzudenken.

Dies liegt nicht zuletzt an einer wachsenden Vielfalt unterschiedlicher Regierungsbündnisse. Während bis in die 1980er Jahre standardmäßig entweder SPD oder CDU/CSU mit den Freien Demokraten regierten, finden sich in den 16 Bundesländern aktuell nicht weniger als zwölf verschiedene Koalitionsmodelle.

Angesichts der jüngeren Entwicklung des deutschen Parteiensystems hin zu einem moderaten bis polarisierten Pluralismus und der Erosion der traditionellen Volksparteien infolge neuer politischer Konfliktlinien dürfte sich dieser Trend fortsetzen und erscheint eine Regierung nur zweier Parteien auf Bundesebene, aber auch in den meisten Ländern sehr unwahrscheinlich. Stattdessen werden in Zukunft Bündnisse von drei oder gar vier Parteien die Regel sein. Diese steigende Zahl der beteiligten Akteur:innen sorgt für langwierigere Verhandlungen, mehr Konflikte und eine schwierigere Einigung auf Kompromisse.

Zugleich haben die vergangenen Jahre der Kanzlerschaft Angela Merkels aber auch gezeigt, dass die zentralen Themen und Herausforderungen für eine Regierung nicht immer planbar sind: Mit der Euro- und Finanzkrise, der steigenden Migration nach Deutschland und zuletzt der Corona-Pandemie hat zu Beginn der jeweiligen Legislatur niemand wirklich gerechnet. Mit der Klimakrise beherrscht zudem ein Thema die Agenda, das sich durch eine enorme Komplexität auszeichnet und langfristiger gedacht werden muss als in einer Legislaturperiode von vier Jahren.

Auch wenn daher nicht alle politischen Probleme und Herausforderungen einer gemeinsamen Regierungszeit in Koalitionsgesprächen vorhergesehen und thematisiert werden können, kommt den Verhandlungen vor einer Regierungsbildung doch entscheidende Bedeutung zu. Erfolgreiche Koalitionen wie beispielsweise die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz zeichnen sich durch eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Koalitionär:innen aus, durch eine Begegnung auf Augenhöhe und Gestaltungsraum für alle Partner:innen. Koalitionsverhandlungen legen den Grundstein für diese konstruktive Art der Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Werte und Grundeinstellungen, die erfolgreiches Regierungshandeln auch in unvorhergesehenen Krisen ermöglicht.

Für Koalitionsverhandlungen lassen sich daraus folgende Schlüsse ziehen:

  1. Die Verhandlungen sollten nicht nur zu einem gemeinsamen Vertrag als stabile Grundlage der gemeinsamen Regierungszeit führen, sondern auch den Anfang einer vertrauensvollen Zusammenarbeit auf Augenhöhe markieren.
  2. Am Anfang von Koalitionsverhandlungen sollten die Partner:innen eine gemeinsame Vision entwickeln: Wie soll unser Land in 30 Jahren aussehen? Wie wollen wir das Land gestalten, worauf arbeiten wir hin? Diese Vision kann auch unter Hilfe von Foresight-Methoden und Beratung durch Foresight-Expert:innen entstehen, um zukünftige Entwicklungen abzuschätzen und einfließen zu lassen. Alle konkreten Maßnahmen, ob im Koalitionsvertrag oder unabhängig davon in der gemeinsamen Regierungszeit umgesetzt, sollten auf diese Vision einzahlen.
  3. Aus der Vision lassen sich dann Politikfelder und Ziele ableiten, die den beteiligten Akteur:innen eine Richtung vorgeben, aber Handlungsspielraum lassen, wie die Ziele erreicht werden sollen. Die Gestaltung konkreter Politikmaßnahmen erfolgt dann im Verlauf der Legislatur, und hierzu können verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen: Vorschläge aus den Ministerien oder Fachausschüssen des Bundestags, Einbindung von Expert:innen und Stakeholder:innen, Bürgerräte und Bürgerbeteiligung oder eine Mischung aus diesen.
  4. Neben der inhaltlichen Beschäftigung mit einer Vision, Zielen und Maßnahmen sollten Koalitionsverhandlungen Prinzipien und Regeln der Zusammenarbeit in der Koalition als Ergebnis haben. Was ist bei unserer Zusammenarbeit wichtig? Wie wollen wir kommunizieren und Entscheidungen treffen? Wie lösen wir Probleme gemeinschaftlich? Die Fragen der Zusammenarbeit stehen am Anfang der Gespräche.
  5. Um eine gute Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und erfolgreiches Regierungshandeln zu legen, muss in den Koalitionsverhandlungen Vertrauen entstehen. Das geschieht über die inhaltliche Auseinandersetzung, über gemeinsame Regeln der Zusammenarbeit, aber gerade auch durch persönliches Kennenlernen. Nicht zuletzt dafür sollten Koalitionsverhandlungen Raum geben.

Warum also eine Moderation?

Neutralität: Koalitionsverhandlungen werden in der Regel von dem:der stärksten Partner:in und damit aus einer Position der Stärke moderiert. Eine unabhängige Moderation hingegen agiert neutral und schafft damit ein level playing field für alle beteiligten Akteur:innen. Dies gewinnt vor allem vor dem Hintergrund immer ausgeglichenerer Wahlergebnisse der Parteien an Bedeutung.

Das richtige Handwerkszeug: In vielen Runden – ob Arbeitsmeeting, Parteisitzung oder Vereinsversammlung – wird die Moderation vom Chef oder der Vorsitzenden übernommen. Moderation ist aber mehr als die Abarbeitung der Agenda und Meldeliste, sondern braucht Erfahrung und das richtige methodische Wissen, um die Sitzung erfolgreich und effektiv zu gestalten. Die Moderation kann gewohnte Routinen durchbrechen und Vorschläge für Arbeitsweisen machen, wenn es der Gesprächsführung und den Ergebnissen dient.

Einbindung und Augenhöhe sicherstellen: Die Moderation achtet zu jedem Zeitpunkt darauf, dass alle Personen am Tisch eingebunden sind, sich als Teil des Prozesses sehen, wohlfühlen und auf Augenhöhe mitsprechen können. Alle sollen sich hinter den Entscheidungen wiederfinden können.

Durchsetzung gemeinsamer Gesprächsregeln: Am Anfang geben sich die Verhandler:innen gemeinsame Gesprächsregeln, die von der Moderation vorgeschlagen und deren Einhaltung von der Moderation neutral überwacht werden können.

Fokus auf den Prozess: Während sich die Vertreter:innen der möglichen Koalitionsparteien auf ihre Inhalte konzentrieren und die Punkte aus ihrem Wahlprogramm verwirklichen wollen, kann die Moderation auf den Prozess der Koalitionsverhandlungen fokussieren.

Einbeziehung Dritter: Wenn sich in manchen Fragen keine Lösungen abzeichnen, kann neben methodischer Abwechslung auch Input von Expert:innen und anderen Akteur:innen sinnvoll erscheinen. Neben Foresight-Expert:innen könnten Jurist:innen, Ökonom:innen oder auch Vertreter:innen bestimmter Anliegen zu Rate gezogen werden. Die Moderation kann hierzu Vorschläge machen, wenn es sinnvoll erscheint.

Ergebnissicherung: Während die Verhandler:innen sich auf die inhaltliche Diskussion fokussieren und gemeinsame Ansätze und Lösungen erarbeiten, stellt die Moderation sicher, dass alle Diskussionsstände und Ergebnisse gesichert werden. Aus den Diskussionen heraus leitet die Moderation konsensuale Punkte und offene Fragen ab und macht sie transparent, damit alle immer fokussiert auf das Ergebnis hinarbeiten können und sich nicht in Nebensächlichkeiten verlieren.

Gute Atmosphäre schaffen: Aufgabe jeder Moderation ist es, ein Setting und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich die beteiligten Menschen wohlfühlen und bestmöglich miteinander interagieren können. Die Moderation gibt Sicherheit und schafft einen verlässlichen Rahmen.

Wie lässt es sich umsetzen?

Wichtig für die erfolgreiche Umsetzung einer neutralen Moderation ist ein festes Team aus erfahrenen Moderator:innen, das den gesamten Prozess begleitet. Insbesondere für Koalitionsverhandlungen müssen Moderator:innen dafür ausgebildet sein, verschiedene Menschen und Interessen in einem konstruktiven und produktiven Rahmen zu gemeinsamen Ergebnissen zu führen.

Mehr zu unseren Moderationsleistungen – ob im Rahmen von Stakeholderverfahren wie der Plattform Industrie 4.0 oder im Rahmen von Bürgerräten wie dem zu Deutschlands Rolle in der Welt – finden Sie bei unseren Leistungen.

Ihr Ansprechpartner

Profilbild Jacob Birkenhäger

Jacob Birkenhäger

Business Unit Lead | Deliberation, Open Government, Demokratie

Telefon+49 30 536077-45
E-Mailjacob.birkenhaeger@ifok.de
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